In diesem Artikel wird dargelegt, warum es zwar das einfachste, aber nicht unbedingt das beste Mittel ist, den Musikunterricht an Grundschulen „outzusourcen“.
Dass das Singen Kinder in ihrer Gesamtentwicklung unterstützt, ist längst ein allgemein anerkanntes Statement. Und es gibt zahlreiche Gründe dafür, Kinder frühstmöglich an das Singen als zusätzliches Ausdrucksmittel heranzuführen. Kindern eine Stimme zu geben, ist auch das Anliegen vieler Sprachförderprogramme, die z.T. auch von musikalischen Fachkräften durchgeführt werden, wie z.B. das musikpädagogische Förderprogramm „Singen-Bewegen-Sprechen“ in Baden-Württemberg.
Warum nur kommt dem Singen dann immer noch ein so kleiner Stellenwert in der schulischen Ausbildung zu?
Musik bis 2016 nur noch im Fächerverbund
In Baden-Württemberg war das Fach Musik mit Handarbeit und bildender Kunst zeitweise im Fächerverbund MeNuK (Mensch, Natur und Kultur) verschluckt und dadurch oft quasi ganz abgeschafft worden. Auch wenn dieser Fächerverbund seit 2016 wieder aufgelöst wurde, ist es doch Tatsache, dass nur an etwa der Hälfte der Grundschulen in Baden-Württemberg eine ausgebildete Musiklehrkraft unterrichtet.
Tragfähige Konzepte zur Nachqualifikation musikalisch interessierter Lehrerinnen und Lehrer im Grundschulbereich fehlen. Dass Förderung aber nur durch qualifizierte Fachpersonen erfolgen kann, sollte jedem klar sein. Oder gehen Sie zum Nachbarn, der ein bisschen joggen kann, wenn Sie sich auf einen Marathon vorbereiten wollen?
Musiker in die Schulen
Es liegt auf der Hand, dass Lehrkräfte, die selbst nicht gerne singen, dies nicht gut, höchst ungern oder auch gar nicht an die Kinder weitervermitteln. Daher sind sie unendlich froh und dankbar, wenn Angebote von anderer Seite kommen, diesen Part zu übernehmen. Manchmal treten Gesangvereine, manchmal Musikschulen, manchmal freischaffende Musikpädagogen oder Kirchenmusiker an die Schulen heran und bieten eine Kooperation an.
Diese „Fremdanbieter“ von Musikunterricht und Musik-AGs an Schulen profitieren davon, einen Fuß in der Tür zu haben: Sie kommen direkt in Kontakt mit den Zielgruppen Kinder, Eltern, Angehörige und werben somit für ihre Institution oder ihren Chor.
Auch das ist ein Grund dafür, dass Konzepte wie „Singen-Bewegen-Sprechen“ oder „Jekiss“ so gut angelaufen sind. Natürlich profitieren die Kinder von diesem fachlich qualifizierten Angebot und da die AG-Stunden immer weiter reduziert wurden, sind auch die Schulleitungen froh über die dadurch freigeschaufelten Zeitressourcen für ihre schuleigenen Lehrkräfte.
Eine Aufgabe der Politik
Allerdings hat es auch eine Schattenseite, dass das Fehlen von musikalischem Fachpersonal an den Grundschulen durch Dritte aufgefangen wird: Die Politik gibt ruhigen Gewissens die Verantwortung ab. Das kann doch nicht sein!
Es ist eine politische Aufgabe, für bestmögliche Lern- und Lehrbedingungen an den Schulen zu sorgen. Gerade im Grundschulbereich (aber nicht nur) sind die flexibel und bedarfsorientiert einsetzbaren AG-Stunden ein unersetzbares Instrument zur Schaffung von individuellen Fördermöglichkeiten.
Wie soll der Musikunterricht in der Grundschule einen hohen Stellenwert bekommen, wenn die Politik offensichtlich der Meinung ist, dass man nicht an jeder Grundschule Musiklehrkräfte braucht und wenn überdies hinaus genug Fremdanbieter in der Warteschleife stehen, die dieses Defizit auffangen?
Fazit
Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Ideen dazu gibt es genug. Wäre es z.B. nicht denkbar, allen Grundschullehrkräften im Zuge ihrer Ausbildung eine praxisorientierte musikalische Grundausbildung zukommen zu lassen, so dass das Singen als fächerverbindende Methode zur ganzheitlichen Entwicklungsförderung der Kinder beitragen kann?
Nutzen Sie auch Ihre Funktion als Chor oder Chorleiter/in, um Singen auch an der Grundschule wieder zu stärken? Oder hatten Sie schon einmal die Idee? Dann schreiben Sie Ihre Erfahrungen doch in die Kommentare.