Interview mit Christian Wulff, dem neuen Vorsitzenden des Deutschen Chorverbandes

Interview mit Christian Wulff, dem neuen Vorsitzenden des Deutschen Chorverbandes

Am 24. Februar wurde Christian Wulff ohne Gegenstimmen von der Mitgliederversammlung des Deutschen Chorverbandes zum neuen Vorsitzenden gewählt. Wir haben unter unseren Lesern Fragen gesammelt und um ein Interview mit Herrn Wulff gebeten. Et Voilà:

Herr Wulff, haben Sie jetzt oder früher in einem Chor gesungen? Wenn ja, wie lange? Gemischter oder Männerchor? Was verbindet Sie mit dem Singen, speziell dem Chorsingen?

Ich höre seit der Schulzeit mit großer Begeisterung Chören zu und habe das Glück gehabt, auch in meinen Ämtern als Bundespräsident und als Ministerpräsident Chormusik an unterschiedlichsten Stellen erleben zu können. Mit dem Singen in Chören verbinde ich das Singen in Gemeinschaft, das Menschen eine Heimat gibt, das sie zusammenwachsen lässt zu einem großen Ganzen. Ich verbinde damit Begeisterung und Zugewandtheit zu anderen Menschen, die Bereitschaft und Offenheit, sich neuen Situationen und fremden Menschen zu öffnen, mit ihnen zusammenzuarbeiten – kurzum: Chöre leisten im Kleinen das, was uns im Großen auch als Gesellschaft gelingen muss.

Wie haben Sie die Veränderungen in der Chorszene in den letzten zwei Jahrzehnten wahrgenommen?

Nach meinem Eindruck hat die Chorszene eine Entwicklung mitvollzogen, die auf allen Ebenen und in allen Bereichen der Gesellschaft passiert. Wir sind längst zur Bunten Republik Deutschland geworden, in der ganz verschiedene kulturelle Strömungen zueinander finden. Das scheint mir auch für die Chorszene zuzutreffen: hier sind viele Einflüsse dazugekommen, aufgenommen und in Bestehendes eingebaut worden – seien es innovative Formate oder eben auch viele Menschen aus anderen Kulturkreisen, die ihre Lieder und ihre Art zu singen miteingebracht haben. Ich empfinde das in unserer Gesellschaft insgesamt, aber auch bei den Chören, als eine echte Bereicherung.

In der Kritik steht die Investition des Chorverbandes in eine Immobilie in Berlin. Was viele vielleicht interessiert: In was für Räumlichkeiten sitzt der DCV jetzt? Und dient das neue Gebäude vielleicht eher repräsentativen Zwecken? Welchen Vorteil hat der normale Dorfchor von einem Chorzentrum in Berlin?

Also zunächst einmal werden für den Bau des Deutschen Chorzentrums keinerlei Mitgliedsbeiträge ausgegeben. Das zu betonen ist mir wichtig, damit unsere Mitglieder das wirklich verstehen. Das Deutsche Chorzentrum ist ein Jahrhundertprojekt. Langfristig wird es dem Verband sogar eine deutlich stabilere Einnahmenlage bescheren als bislang – aber uns allen ist bewusst, dass die Akzeptanz dieses Projekts auch an der Einhaltung des Zeit- und Kostenrahmens hängt.

Deutsches Chorzentrum
So soll es aussehen: Das Deutsche Chorzentrum Bildquelle

Bislang hat der Deutsche Chorverband seine Büroräume in Berlin im denkmalgeschützten IG-Metall-Haus nach Plänen des Architekten Erich Mendelsohn. Ein durchaus repräsentatives Gebäude. Mit dem Deutschen Chorzentrum werden wir in einen sanierten Altbau mitten in das pulsierende Herz von Berlin, nach Neukölln, ziehen. Das wird kulturell anregend und spannend. Andererseits müssen wir dafür sorgen, dass es wirklich zur Heimat aller unserer Mitglieder wird, von den Männergesangsvereinen über die Shanty- und Gospelchöre bis hin zu den Carusos und vielen anderen. Das ist unser Anspruch und daran müssen wir uns messen lassen.

Das Deutsche Chorzentrum wird keine Hauptstadtrepräsentanz, sondern ein Ort des Austauschs und der Begegnung auf Augenhöhe sein – und natürlich ein Ort, an dem unsere Geschäftsstelle ihre Arbeit fortführen und Angebote und Programme weiterentwickeln kann… Alle Mitglieder sollen hier Hilfe und Ansprechpartner finden und Unterstützung erfahren.

2017 hat ein Teil der regionalen Mitgliedsverbände den Deutschen Chorverband verlassen. Werden Sie versuchen, diese Chorverbände zurückzuholen und dessen „Auflösungserscheinungen“ zu stoppen? Scheinbar ist man auch ohne großen Dachverband in der Lage, passable Einigungen mit GEMA oder Versicherungen zu treffen. Mich als Chorvorstand würde interessieren, ob Sie etwas in Richtung besserer finanzieller Unterstützung der Chöre unternehmen möchte?

Wir müssen für die Chöre besser als bislang deutlich machen, wo der Mehrwert des DCV liegt. Wir sind Dienstleister unserer Mitglieder, deshalb ist das wesentlich.
Ein zentraler Faktor dabei scheint mir zu sein, dass die Stimme der Chöre in Deutschland auch auf der politischen Bühne umso deutlicher vernehmbar ist, je mehr wir sind und je kraftvoller wir unseren Standpunkt vertreten können. Leider findet sich zum Thema „Chöre“ im Koalitionsvertrage gar nichts, obwohl Chöre, wie gesagt, viel zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft beitragen können. Das den zuständigen Politikern klarzumachen, wird unser Job sein.

Ich setze mich natürlich dafür ein, möglichst viele der ausgetretenen Verbände zum Nachdenken zu bewegen, bei möglichst vielen rüberzubringen, dass wir die Botschaft verstanden haben. Nach meinem Eindruck wird es dann auch viel um Kommunikation gehen. Und auch hier ist mir wichtig, dass wir auf Augenhöhe und mit Respekt miteinander umgehen.

Christian Wulff DCV-Präsident
Bild: © Laurence Chaperon

Thema Männerchor: Haben Sie oder der DCV eine Idee, wie man dem Männerchor wieder zu Nachwuchs verhelfen kann? Sind nicht Kampagnen sinnvoll, die einen normalen „Dorfchor“ bei der Mitgliedersuche helfen?

Die bei weitem größte Zahl der in Chören Singenden hat als Kind mit dem Singen begonnen. Ich sehe daher zum Beispiel „Die Carusos“ als ein Programm, das genau in diese Richtung geht. Und ich bin davon überzeugt, dass wir nicht nur da weitermachen, sondern diesen Ansatz ausbauen müssen: Die Angebote sollen so ineinandergreifen, dass Kinder, junge Menschen, wenn sie einmal das Singen für sich entdeckt haben, quasi immer weitergeleitet werden – so wie das in Sportvereinen ja oftmals schon der Fall ist. Das heißt auch, dass wir stärker als bislang die Zusammenarbeit mit neuen Partnern suchen müssen, allen voran Schulen, Kirchen und Vereinen.

Wir bedanken uns für das Interview.
Anmerkung an die Leser: Die Fragen wurden von uns per E-Mail eingesendet und boten daher keine Möglichkeit einer speziellen Nachfrage.

Bild: © Laurence Chaperon

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Ein Gedanke zu „Interview mit Christian Wulff, dem neuen Vorsitzenden des Deutschen Chorverbandes

  1. Es tut mir leid, aber von diesem neuen Vorsitzenden erwarte ich nichts:
    alle seine Antworten sind nichtssagend und einem professionellem Politiker angepasst : mit vielen Worten wenig aussagen!
    Wie glücklich kann ich mich schätzen, einen Chor gegründet und 38 Jahre geleitet zu haben und mich in keinerlei Organisationsformen einbinden zu lassen – nur den AMJ habe ich wirklich geschätzt und genutzt.
    Das neue Gebäude in Berlin ist einfach nur grauslich : ein bißchen Gefühl – oder auch Feng-Shui würde doch deutlich machen, dass diese spitzigen Vorsprünge einfach harmoniezerstörend wirken – das soll Chormusik optisch nach aussen tragen?

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